Der Wecker geht um fünf Uhr. Frühstücken im Lager, da der Selbstversorgerraum leider verschlossen ist. Eine halbe Stunde später befinden wir uns auf dem Fasultalweg Richtung der Felsbastion Patteriol, das eindrücklichste Gipfelziel im Gebiet unserer Sektionshütte. Das Ziel: der Ostpfeiler des P.2884, einer Gratschulter unterhalb des Südgipfels. Der Ostpfeiler? Am Nachmittag sollen wir noch öfters erklärt bekommen, dass wir sicher den Nordostgrat meinen. Sollten mich die als Bergführeraspirant erworbenen rudimentären Orientierungskenntnisse jedoch nicht verlassen haben, waren wir richtig – und eben nicht am bekannten Nordostgrat. Dieser wurde von der Bergrettung St. Anton im Sommer 2005 saniert, ebenso 2007 der Südostpfeiler auf den P.2884. Unser heutiges Ziel soll etwas wilder sein. Weder Topos, noch Beschreibungen sind in dem www zu finden. Einzig im Alpenvereinsführer Verwall werden Interessenten fündig (diese gibt es jetzt auch auf alpenverein.de). Die Textbeschreibung passt auf eine Visitenkarte (beidseitig) und beschreibt eine Tour mit ca. 24 Seillängen durch einen etwa 550m hohen Pfeiler.
„Zugang: Von der Hütte wie 1342 zum Schneefeld und weiter nach links, südw. Zum Pfeilerfuß. Links des Risses E. bei einem abgespaltenen Block, etwa 10m über dem Schutt auf ca. 2360m“. Und genau unterhalb dieses Pfeilerfußes befinden wir uns etwa zwei Stunden später. Langsam mehren sich die Fragen: Welcher Pfeiler? Gut, das ist schnell geklärt und der Fuß dessen auch ausgemacht. Welcher Riss? Das war schon schwieriger, es gab drei Stück zur Auswahl. Es wird schon der größte und längste Sein. Welcher abgespaltene Block? Auch das konnte nach etwas überlegen geklärt werden. Also Start: Ich führe die Tour und starte dementsprechend los. In der Führerbeschreibung steht für die dritte Seillänge ein „plattiger Riss“ beschrieben. Nach drei Seillängen stehe ich unter einem Riss, den ich von unten als diesen vermutet habe. Schnell ist klar, der ist es nicht. Also weiter links hoch. Nach einer weiteren Seillänge geht es durch plattige Verschneidungen hoch. Und siehe da: unterwartet lächelt mich ein Schlaghaken an. Nach zwei weiteren Schlaghaken haben wir einmal das Absicherungshighlight des heutigen Tages erreicht (3 Zwischensicherungen auf 40m) sowie die Schlüsselseilänge (IV+) der Route gefunden. Der „plattige Riss“ ist wohl eher nur Platte und die Bewertung klassisch. Anschließend geht es in weiteren sieben „Kraxellängen“ zuerst in der Flanke und später auf dem Grat hinauf. Den nächsten steilen Grataufschwung ersteigt man in drei Seillängen durch die rechte Flanke. Ein „steiler Riss (IV)“, gütig mit einem Schlaghaken abgesichert führt aus einer schattigen Scharte hinaus in eine steile Rinne. Von einer Gratscharte steigt man kurz einen Kamin hinauf und findet sich auf einem T3 Wanderweg wieder. Diesem folgt man bis er wieder aufhört (ca. 30m). Von hier geht es dann in konstanter Kletterei zum Gipfel des P.2884, wo man auf den Ausstieg des Südostpfeilers trifft.
Der Abstieg gestaltet sich fast spannender als der Aufstieg: Es wird der Grat Richtung Südgipfel gequert, was bei den aktuellen Bedingungen auch Sprünge aus dem Fels auf Schneefelder erfordert. Kurz bevor der Grat Richtung Südgipfel aufsteilt quert man links raus Richtung Normalweg. Und da wären wir bei dem Problem: die Flanke nach links ist breitflächiger Misch-Masch aus Geröll, Felsplatten und Restschneefeldern. Nachdem die Bergwacht St. Anton den Südostpfeiler plaisirmäßig saniert hat könnte man denken: Na gut, dann ist der Abstieg ja zumindest mit Steinmännli markiert, wenn nicht sogar gebohrt. Aber nix da, also Alpenvereinsführer zu Rate ziehen: „Abstieg: Vom Pfeilerkopf über den Blockgrat in Richtung S-Gipfel.“ Ok, haben wir. „Nach ca. 200m quert man nach S hinaus zum Normalweg“. Achso, easy, einfach queren. Na, dann machen wir das wohl. Nach einer halben Stunde bestehend aus Abklettern auf kiesbedeckten Felsplatten, weichen Schneefeldern und wieder heraufklettern sind wir am Normalweg angelangt. Von diesem haben wir dann einen direkten Abstieg genommen und waren schnell auf dem großen Schneefeld unterhalb der S-Flanke angelangt. Während ich meine erworbenen Skitechnikkenntnisse versuchte zu übertragen entschied meine Tourenpartnerin sich für die Variante Schneepflug. Quintessenz nach 700hm Schneefelder rutschen: nicht so geil wie Skifahren, aber besser als laufen.
Auf der Hütte dann wieder der Touristentrubel. Kann man zur Neuen Heilbronner? Wo sind denn die Duschen? Macht man das Licht an, wenn schon wer im Lager schläft? (NEIN!) Die meisten Besucher hier sind schon längst keine Bergsteiger mehr, manchmal verirren sie sich jedoch noch ein paar einzelne Exemplare.
Facts:
Ostpfeiler auf die SO-Gratschulter P.2884m
Material: 1 ½ Sätze Friends 0.1-2, 0.5-1 doppelt. Schlaghaken für Rückzüge. Absicherungsmöglichkeiten eher begrenzt. 4 Exen. Einfachseil 50m. Ggf. Steigeisen und Pickel.
Zustieg, Routenbeschreibung und Abstieg siehe Alpenvereinsführer Verwall, Route 1343. Einstieg gut zu finden, 1+2 SL.: Links am Block hoch auf Terasse, 30m. Oberhalb über Rampe und kurze Wand (3m) hoch, Querung rechts zu Stand unter großem Riss (40m). Links die Rampe hoch zu Stand auf kleinem Platteau (35m). Links hoch zu Schlaghaken der Schlüsselseilänge. Ab dann einfach zu finden.






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